„Das ist doch voll Mittelalter!“
Jedes Jahr probt die Szenario-Gruppe des PAMINA-Schulzentrums in Herxheim ein neues Stück, welches sie dann im Sommer in dem regionalen Chawwerusch-Theater sowie in der Schule aufführt.
Dieses Jahr auf dem Plan: Die berühmte Shakespeare-Tragödie „Romeo & Julia“. Nur etwas anders.
Strahlend begrüßt uns Ben Hergl, der schon seit 23 Jahren Leiter der Gruppe und Regisseur beim Chawwerusch ist, in dem Umkleideraum der jungen Schauspieler. Hier herrscht eine ausgelassene Stimmung. Als lebendig und vertraut beschreibt die 20-jährige Eliana Werling die bunt zusammengewürfelte Truppe, die sich seit der Ankunft angeregt unterhält. Sie selbst spielt die Rolle der Julia.
Während des Aufbaus, der bei tatkräftiger und koordinierter Arbeitsteilung der 12 Schüler*innen eine ganze Stunde dauert, kommen wir mit dem charismatischen Regisseur ins Gespräch.
„Meine erste Romeo & Julia Inszenierung war wahrscheinlich die schlechteste und schwierigste Produktion, die ich mit Schülern einstudiert habe“, erzählt er uns lachend.
Während diese bereits 22 Jahre zurück liegt, scheut er nicht davor, der Tragödie eine zweite Chance zu geben. Die Dramen-Neufassung des gebürtigen Schweizer Jean-Michel Räber, der Klassiker bearbeitet und in seiner Muttersprache neu interpretiert, beeindruckte Hergl und auch die Schüler so sehr, dass man sich für diese entschied. Der Gruppe gefiel die Lebensnähe und Modernität des Stückes. Konsequenz: Es musste erst einmal übersetzt werden. Nach zweifacher Korrekturarbeit von Hergl und Patrick Borchardt, dem Co-Regisseur des Stückes, konnten die Proben dann endlich beginnen. Bei jedem Stück hat vorerst noch niemand eine feste Rolle. Welcher Charakter zu welchem Schauspieler passt, muss zuerst herausgefunden werden. Meistens gibt es bei der finalen Rollenverteilung trotzdem kleine Konflikte. Diese werden aber meist schnell gelöst.
„Ich fühle mich in meiner Rolle wohl, weil ich mich mit dem Charakter gut identifizieren kann“, gibt Hannah Rieder, die Benvoglia spielt, zu.
Man übt das Stück vom Schuljahresbeginn bis zur Aufführung im Mai oder Juni: Die Proben finden wöchentlich donnerstags statt, wobei noch ein Blocktag am Wochenende hinzukommt. Hilfe bekommen die jungen Schauspieler größtenteils von Hergl, aber auch von einer Choreografin, die den Jugendlichen beispielsweise Kampfszenen beibringt. Denn am Anfang, so Hergl, „geht es knallhart los“ und die Authentizität der Auseinandersetzung sei für die Glaubwürdigkeit immens wichtig. Dabei ist die korrekte Verwendung von Sprache, Mimik und Gestik, aber auch der Ausdruck verschiedenster Emotionen essentiell. Hergl will, dass die Schüler lernen, sich in eine Rolle hineinversetzen zu können und diese so authentisch wie möglich zu verkörpern. Das Herausfordernde an seinem Vorhaben ist vor allem, dass für viele Schüler das Stück deren schauspielerische Premiere bildet.
Dies stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar: Um ein Theaterstück in solch kurzer Zeit einzustudieren, brauchen die Schüler Disziplin und Ausdauer. Und das aufgebrachte Engagement zahlt sich auch oft aus, beispielsweise bei Laura Sophie Helbig. Die ehemalige Schülerin des Gymnasiums nimmt heute Filme und Hörspiele in Großbritannien auf.
Auch viele Mitglieder der diesjährigen Gruppe können sich das Schauspiel als festen Bestandteil ihres zukünftigen Lebens vorstellen und schon jetzt nimmt die Tätigkeit eine große Rolle im Alltag ein. Niklas Ehmann, 17, erzählt uns, wie der AG-Besuch seine Selbstsicherheit stärkt. Ihm fällt es generell leichter, sich vor anderen zu präsentieren. Auch Eliana teilt ähnliche Erlebnisse: Sie fühlt sich nicht nur selbstbewusster, sondern beschreibt auch, dass sie sich beim Schauspielern selbst besser kennenlernt.
Als aufregend, energetisch, beschützend, überraschend aber auch „manchmal echt bescheuert“ beschreiben die Schüler ihre Gemeinschaft.
„Wir haben sehr schnell zusammengefunden“, berichtet Cosma Kuklinski grinsend, die die zehnte Klasse des Gymnasiums besucht. „Und dass wir uns gut verstehen, hilft auch, dass die Chemie auf der Bühne stimmt.“
„Überhaupt fügt hier jeder dem Stück seinen eigenen Touch hinzu“, beteuert der 19-jährige Lorenzo, der dieses Jahr sein Abitur absolvierte und schon seit 4 Jahren Szenario-Mitglied ist.
Ihren individuellen Beitrag leisten die Schauspieler nicht nur bei der Auswahl des Stückes, sondern auch bei der Kostüm- und Requisitenanschaffung. Margarete Mundt und Natalie Uteschov, beide 17, besuchten Secondhandshops, den Fundus des Theaters und nähten die Kleider notfalls auch um, falls diese den Schauspielern nicht passten. Auch das Bühnenbild ist nachhaltig gestaltet: Es besteht nämlich aus recyceltem, schon abgespieltem Material aus der „Rosa B.“-Produktion des Chawwerusch.
„Einfach Kopf ausschalten“, behauptet Lorenzo lässig, wenn gefragt, wie man in die Rolle finde - und das in der Situation eines nervenaufreibenden Auftritts.
Es gebe keine allgemeingültige Regel, nach der man sich richten könne. Jeder müsse für sich selbst herausfinden, was am besten hilft – seien es die richtigen Schuhe, das Wiederholen des Textes oder eine gemeinsame Einstimmungsübung, in der man den Ausdruck unterschiedlicher Emotionen übt.
„Stell dir einfach vor, du spielst die Szene zum ersten Mal. So entsteht eine gewisse Unverfälschtheit und es sieht nicht so aus, als hättest du einfach den Text auswendig gelernt“, rät Eliana.
Das Wichtigste bleibt noch immer der Spaß. Und den kann die Neuauflage der Tragödie auf jeden Fall liefern.
Im Stück bekämpfen sich die verfeindeten Clans mithilfe von Sprech-Gesang, küssen sich Romeo und Julia zum ersten Mal in der von den Schülern beliebten Party-Szene, dichtet Romeo etwas ungeschickt und mit wenigen - aber vorkommenden - verzweifelten Ausbrüchen über seine Liebe zu Julia, ziehen die Bürger*innen in amüsanter Weise über das Liebespaar her und besiegelt die junge Drogendealerin Lorenza das Schicksal der beiden.
Aber wie passt das Stück oder überhaupt die Szenario-Gruppe zum Chawwerusch Theater?
Das Theater wurde 1984 gegründet und benutzt seit 1993 den ehemaligen Dorftanzsaal in Herxheim als permanente Spielstätte. Ambitioniert, alternativ und kritisch - So charakterisiert die S2 Kultur das Chawwerusch. Schon 116 Stücke hat das Theater aufgeführt und jedes Jahr kommen zwei bis drei neue Inszenierungen hinzu. Man verarbeitet regionale Geschichte, aber auch Klassiker als kreative Neuauflagen. Der Theaterkunst wird freiheitlich begegnet. Man spricht im Dialekt, dann wieder hochdeutsch, irritiert, stellt zur Diskussion und orientiert sich immer an der Erlebniswelt des Zuschauers.
„Auf der Bühne gibt es kein Richtig oder Falsch“, stellt der 23-jährige Hagen klar, der die Theater-Gruppe unterstützt und selbst eine Schauspielausbildung in Angriff nimmt. „Die Zuschauer wissen nicht, was sie erwartet. Du kannst also gar keine Fehler machen.“
Und so macht sich die unerschrockene Gruppe für ihre Premiere bereit. Ganz nach dem Chawwerusch-Motto: „Komisch, tragisch, herzlich!“
Antonio Kuklinski, Carolin Spitz
12. Klasse
Jedes Jahr probt die Szenario-Gruppe des PAMINA-Schulzentrums in Herxheim ein neues Stück, welches sie dann im Sommer in dem regionalen Chawwerusch-Theater sowie in der Schule aufführt.
Dieses Jahr auf dem Plan: Die berühmte Shakespeare-Tragödie „Romeo & Julia“. Nur etwas anders.
Strahlend begrüßt uns Ben Hergl, der schon seit 23 Jahren Leiter der Gruppe und Regisseur beim Chawwerusch ist, in dem Umkleideraum der jungen Schauspieler. Hier herrscht eine ausgelassene Stimmung. Als lebendig und vertraut beschreibt die 20-jährige Eliana Werling die bunt zusammengewürfelte Truppe, die sich seit der Ankunft angeregt unterhält. Sie selbst spielt die Rolle der Julia.
Während des Aufbaus, der bei tatkräftiger und koordinierter Arbeitsteilung der 12 Schüler*innen eine ganze Stunde dauert, kommen wir mit dem charismatischen Regisseur ins Gespräch.
„Meine erste Romeo & Julia Inszenierung war wahrscheinlich die schlechteste und schwierigste Produktion, die ich mit Schülern einstudiert habe“, erzählt er uns lachend.
Während diese bereits 22 Jahre zurück liegt, scheut er nicht davor, der Tragödie eine zweite Chance zu geben. Die Dramen-Neufassung des gebürtigen Schweizer Jean-Michel Räber, der Klassiker bearbeitet und in seiner Muttersprache neu interpretiert, beeindruckte Hergl und auch die Schüler so sehr, dass man sich für diese entschied. Der Gruppe gefiel die Lebensnähe und Modernität des Stückes. Konsequenz: Es musste erst einmal übersetzt werden. Nach zweifacher Korrekturarbeit von Hergl und Patrick Borchardt, dem Co-Regisseur des Stückes, konnten die Proben dann endlich beginnen. Bei jedem Stück hat vorerst noch niemand eine feste Rolle. Welcher Charakter zu welchem Schauspieler passt, muss zuerst herausgefunden werden. Meistens gibt es bei der finalen Rollenverteilung trotzdem kleine Konflikte. Diese werden aber meist schnell gelöst.
„Ich fühle mich in meiner Rolle wohl, weil ich mich mit dem Charakter gut identifizieren kann“, gibt Hannah Rieder, die Benvoglia spielt, zu.
Man übt das Stück vom Schuljahresbeginn bis zur Aufführung im Mai oder Juni: Die Proben finden wöchentlich donnerstags statt, wobei noch ein Blocktag am Wochenende hinzukommt. Hilfe bekommen die jungen Schauspieler größtenteils von Hergl, aber auch von einer Choreografin, die den Jugendlichen beispielsweise Kampfszenen beibringt. Denn am Anfang, so Hergl, „geht es knallhart los“ und die Authentizität der Auseinandersetzung sei für die Glaubwürdigkeit immens wichtig. Dabei ist die korrekte Verwendung von Sprache, Mimik und Gestik, aber auch der Ausdruck verschiedenster Emotionen essentiell. Hergl will, dass die Schüler lernen, sich in eine Rolle hineinversetzen zu können und diese so authentisch wie möglich zu verkörpern. Das Herausfordernde an seinem Vorhaben ist vor allem, dass für viele Schüler das Stück deren schauspielerische Premiere bildet.
Dies stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar: Um ein Theaterstück in solch kurzer Zeit einzustudieren, brauchen die Schüler Disziplin und Ausdauer. Und das aufgebrachte Engagement zahlt sich auch oft aus, beispielsweise bei Laura Sophie Helbig. Die ehemalige Schülerin des Gymnasiums nimmt heute Filme und Hörspiele in Großbritannien auf.
Auch viele Mitglieder der diesjährigen Gruppe können sich das Schauspiel als festen Bestandteil ihres zukünftigen Lebens vorstellen und schon jetzt nimmt die Tätigkeit eine große Rolle im Alltag ein. Niklas Ehmann, 17, erzählt uns, wie der AG-Besuch seine Selbstsicherheit stärkt. Ihm fällt es generell leichter, sich vor anderen zu präsentieren. Auch Eliana teilt ähnliche Erlebnisse: Sie fühlt sich nicht nur selbstbewusster, sondern beschreibt auch, dass sie sich beim Schauspielern selbst besser kennenlernt.
Als aufregend, energetisch, beschützend, überraschend aber auch „manchmal echt bescheuert“ beschreiben die Schüler ihre Gemeinschaft.
„Wir haben sehr schnell zusammengefunden“, berichtet Cosma Kuklinski grinsend, die die zehnte Klasse des Gymnasiums besucht. „Und dass wir uns gut verstehen, hilft auch, dass die Chemie auf der Bühne stimmt.“
„Überhaupt fügt hier jeder dem Stück seinen eigenen Touch hinzu“, beteuert der 19-jährige Lorenzo, der dieses Jahr sein Abitur absolvierte und schon seit 4 Jahren Szenario-Mitglied ist.
Ihren individuellen Beitrag leisten die Schauspieler nicht nur bei der Auswahl des Stückes, sondern auch bei der Kostüm- und Requisitenanschaffung. Margarete Mundt und Natalie Uteschov, beide 17, besuchten Secondhandshops, den Fundus des Theaters und nähten die Kleider notfalls auch um, falls diese den Schauspielern nicht passten. Auch das Bühnenbild ist nachhaltig gestaltet: Es besteht nämlich aus recyceltem, schon abgespieltem Material aus der „Rosa B.“-Produktion des Chawwerusch.
„Einfach Kopf ausschalten“, behauptet Lorenzo lässig, wenn gefragt, wie man in die Rolle finde - und das in der Situation eines nervenaufreibenden Auftritts.
Es gebe keine allgemeingültige Regel, nach der man sich richten könne. Jeder müsse für sich selbst herausfinden, was am besten hilft – seien es die richtigen Schuhe, das Wiederholen des Textes oder eine gemeinsame Einstimmungsübung, in der man den Ausdruck unterschiedlicher Emotionen übt.
„Stell dir einfach vor, du spielst die Szene zum ersten Mal. So entsteht eine gewisse Unverfälschtheit und es sieht nicht so aus, als hättest du einfach den Text auswendig gelernt“, rät Eliana.
Das Wichtigste bleibt noch immer der Spaß. Und den kann die Neuauflage der Tragödie auf jeden Fall liefern.
Im Stück bekämpfen sich die verfeindeten Clans mithilfe von Sprech-Gesang, küssen sich Romeo und Julia zum ersten Mal in der von den Schülern beliebten Party-Szene, dichtet Romeo etwas ungeschickt und mit wenigen - aber vorkommenden - verzweifelten Ausbrüchen über seine Liebe zu Julia, ziehen die Bürger*innen in amüsanter Weise über das Liebespaar her und besiegelt die junge Drogendealerin Lorenza das Schicksal der beiden.
Aber wie passt das Stück oder überhaupt die Szenario-Gruppe zum Chawwerusch Theater?
Das Theater wurde 1984 gegründet und benutzt seit 1993 den ehemaligen Dorftanzsaal in Herxheim als permanente Spielstätte. Ambitioniert, alternativ und kritisch - So charakterisiert die S2 Kultur das Chawwerusch. Schon 116 Stücke hat das Theater aufgeführt und jedes Jahr kommen zwei bis drei neue Inszenierungen hinzu. Man verarbeitet regionale Geschichte, aber auch Klassiker als kreative Neuauflagen. Der Theaterkunst wird freiheitlich begegnet. Man spricht im Dialekt, dann wieder hochdeutsch, irritiert, stellt zur Diskussion und orientiert sich immer an der Erlebniswelt des Zuschauers.
„Auf der Bühne gibt es kein Richtig oder Falsch“, stellt der 23-jährige Hagen klar, der die Theater-Gruppe unterstützt und selbst eine Schauspielausbildung in Angriff nimmt. „Die Zuschauer wissen nicht, was sie erwartet. Du kannst also gar keine Fehler machen.“
Und so macht sich die unerschrockene Gruppe für ihre Premiere bereit. Ganz nach dem Chawwerusch-Motto: „Komisch, tragisch, herzlich!“
Antonio Kuklinski, Carolin Spitz
12. Klasse