Das sagt die Welt
Auch in der Presse machten die Stücke die Runde. Hier seht ihr ein paar Artikel. Um sie gut lesen zu können, einfach auf die Ausschnitte klicken.
Leonce und Lena
MoF
R & J
Auf der Kippe
Tell
Carpe Diem
Geierwally
Yvonne die Burgunderprinzessin
Homevideo
Iphigenie Königskind
Winner and Loser
Taco das Musical
Der gute Mensch von Sezuan
Prima Klima
Nachtschwärmer
Die neuen Leiden des jungen W.
Euro-Papa
Unter Verdacht
Frühlings Erwachen
Der Weltuntergang
Lysistrata
Im Park
MoF
R & J
Auf der Kippe
Tell
Carpe Diem
Geierwally
Yvonne die Burgunderprinzessin
Homevideo
Iphigenie Königskind
Winner and Loser
Taco das Musical
Der gute Mensch von Sezuan
Prima Klima
Nachtschwärmer
Die neuen Leiden des jungen W.
Euro-Papa
Unter Verdacht
Frühlings Erwachen
Der Weltuntergang
Lysistrata
Im Park
Thema Internet-Mobbing: Bewegendes und aufrührendes Spiel des Theaters Szenario im Chawwerusch
20. April 2015 | Von Redaktion | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Regional
Herxheim – Die Theater–AG des Pamina Schulzentrums Herxheim hatte am Samstag eine Premiere zu feiern.
Mit dem Theaterstück „Homevideo“ gelang es den Schülern unter der Regie von Ben Hergl ein schwieriges und brisantes Thema auf die Bühne zu bringen.
Im Zentrum der Geschichte steht Jakob, der sehr authentisch und berührend von Moritz Hahn dargestellt wird. In ihm ist der typische Teenager wiederzuerkennen, der verspielt seinen Interessen nachgeht, seine schulischen Pflichten vernachlässigt und sich zum ersten Mal verliebt. Schüchtern nähert er sich seiner Mitschülerin Hannah (Alina Oborocea) an.
Seine Eltern kommen nicht mehr miteinander klar, die Mutter möchte sich von dem Vater trennen. Die Streitigkeiten zu Hause lassen den Problemen eines Teenagers keinen Raum. Sehr glaubhaft wird der Vater von Schüler Lukas Walz verkörpert. Ein Polizist, der mit Strenge seine Hilflosigkeit überspielt und nicht unbedingt immer die richtigen Worte für den Jungen findet.
Das Drama nimmt seinen Lauf, als Jakob sich selbst beim Onanieren filmt.
Seine Mutter Irina (Nina Ziller) leiht ahnungslos den Mitschülern Erik (Annika Marz) und Henry (Raffael Bittig) die Kamera aus. Am Ende landet das Video im Netz und wird für Jakob sprichwörtlich zum Albtraum.
Peinlich berührt könnte der Zuschauer sein, angesichts der realistischen Darstellungsweise bestimmter Posen. Doch mit der unbedarften Natürlichkeit, mit der Moritz Hahn die Figur Jakob darstellt, vermag er es, ein verständnisvolles Gefühl für sich entstehen zu lassen.
Die Folgen dieses Cyber-Mobbings führen zu einer Suspendierung von der Schule und einer totalen Ausgrenzung durch Schüler wie Eltern. Seine eigenen Eltern sind hilflos und erreichen Jakob in seinen Qualen nicht mehr. Die Schüler, denen die Tragweite ihres Handelns gar nicht klar ist, könnte man als Opfer ihrer eigenen Tat ansehen.
Regisseur Ben Hergl und sein Regieassistent Sebastian Jüllig konnten durch die ausgezeichnete Besetzung der Rollen und den ausgefeilten, dramaturgischen Aufbau ein fesselndes, wenn auch bedrückendes Thema sensibel und anschaulich umsetzten.
Die jugendlichen Darsteller lieferten eine beeindruckende und ergreifende Vorstellung ab. „Homevideo“ verdeutlicht, welche Gefahren das Internet in sich birgt. Ein weitgehend rechtsfreier Raum, in dem nichts vergessen wird und in dem Mobbing eine ganz andere Dimension annehmen kann.
Durch die eingespielten Videosequenzen (Videoaufnahmen: Patrick Borchardt) wurde Jakobs Innenleben und seine Welt bildhaft. Jakobs Träume und Vorstellungen werden so greifbarer.
Technik und Licht wurden auf die Ereignisse passend von Patrick Massler abgestimmt, ebenso die entsprechenden Kostüme von Sabine Bellair und die Frisuren von Ursula Katenhusen.
Die musikalische Begleitung, die schon bei Beginn des Stücks ein unheilvolles Geschehnis erahnen lässt, hat die Inszenierung in sich abgerundet. (Gabi Kunze)
20. April 2015 | Von Redaktion | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Regional
Herxheim – Die Theater–AG des Pamina Schulzentrums Herxheim hatte am Samstag eine Premiere zu feiern.
Mit dem Theaterstück „Homevideo“ gelang es den Schülern unter der Regie von Ben Hergl ein schwieriges und brisantes Thema auf die Bühne zu bringen.
Im Zentrum der Geschichte steht Jakob, der sehr authentisch und berührend von Moritz Hahn dargestellt wird. In ihm ist der typische Teenager wiederzuerkennen, der verspielt seinen Interessen nachgeht, seine schulischen Pflichten vernachlässigt und sich zum ersten Mal verliebt. Schüchtern nähert er sich seiner Mitschülerin Hannah (Alina Oborocea) an.
Seine Eltern kommen nicht mehr miteinander klar, die Mutter möchte sich von dem Vater trennen. Die Streitigkeiten zu Hause lassen den Problemen eines Teenagers keinen Raum. Sehr glaubhaft wird der Vater von Schüler Lukas Walz verkörpert. Ein Polizist, der mit Strenge seine Hilflosigkeit überspielt und nicht unbedingt immer die richtigen Worte für den Jungen findet.
Das Drama nimmt seinen Lauf, als Jakob sich selbst beim Onanieren filmt.
Seine Mutter Irina (Nina Ziller) leiht ahnungslos den Mitschülern Erik (Annika Marz) und Henry (Raffael Bittig) die Kamera aus. Am Ende landet das Video im Netz und wird für Jakob sprichwörtlich zum Albtraum.
Peinlich berührt könnte der Zuschauer sein, angesichts der realistischen Darstellungsweise bestimmter Posen. Doch mit der unbedarften Natürlichkeit, mit der Moritz Hahn die Figur Jakob darstellt, vermag er es, ein verständnisvolles Gefühl für sich entstehen zu lassen.
Die Folgen dieses Cyber-Mobbings führen zu einer Suspendierung von der Schule und einer totalen Ausgrenzung durch Schüler wie Eltern. Seine eigenen Eltern sind hilflos und erreichen Jakob in seinen Qualen nicht mehr. Die Schüler, denen die Tragweite ihres Handelns gar nicht klar ist, könnte man als Opfer ihrer eigenen Tat ansehen.
Regisseur Ben Hergl und sein Regieassistent Sebastian Jüllig konnten durch die ausgezeichnete Besetzung der Rollen und den ausgefeilten, dramaturgischen Aufbau ein fesselndes, wenn auch bedrückendes Thema sensibel und anschaulich umsetzten.
Die jugendlichen Darsteller lieferten eine beeindruckende und ergreifende Vorstellung ab. „Homevideo“ verdeutlicht, welche Gefahren das Internet in sich birgt. Ein weitgehend rechtsfreier Raum, in dem nichts vergessen wird und in dem Mobbing eine ganz andere Dimension annehmen kann.
Durch die eingespielten Videosequenzen (Videoaufnahmen: Patrick Borchardt) wurde Jakobs Innenleben und seine Welt bildhaft. Jakobs Träume und Vorstellungen werden so greifbarer.
Technik und Licht wurden auf die Ereignisse passend von Patrick Massler abgestimmt, ebenso die entsprechenden Kostüme von Sabine Bellair und die Frisuren von Ursula Katenhusen.
Die musikalische Begleitung, die schon bei Beginn des Stücks ein unheilvolles Geschehnis erahnen lässt, hat die Inszenierung in sich abgerundet. (Gabi Kunze)
Jahrbuchbericht 2011
Rheinpfalz, Mittwoch, 27. Juni 2007
Die große Klappe bringt Matt in ernsthafte Schwierigkeiten
Jugendprojekt des Herxheimer Chawwerusch-Theaters: Die Schülergruppe "Szenario" des Pamina-Schulzentrums spielt
Eigentlich war alles nur ein harmloser Scherz - zumindest war es als ein solcher gemeint. Dass Scherze oft falsch verstanden werden, vor allem, wenn sie von den falschen Leuten aufgeschnappt werden, muss Matt am eigenen Leib erfahren: Als Sprücheklopfer bekannt, scherzt er vor seinen Kumpels, die Schule durch eine Bombe in die Luft jagen zu wollen. Welch unangenehme Folgen das für ihn hat, merkt er erst, als er von der Polizei in Gewahrsam genommen wird und die Medien eine publikumswirksame Sensation mit gewinnbringenden Einschaltquoten wittern.
Die 15 Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren der Schülertheatergruppe "Szenario" des Pamina Schulzentrums Herxheim proben derzeit an dem Stück "unter Verdacht", das auf einem Jugendbuch von Joyce Carol Oates basiert. Damit widmen sie sich einem Thema, das seit dem Massaker in der Columbine High School 1999 oder seitdem Amoklauf an der Erfurter Schule im Jahr 2002 nicht an Aktualität verloren hat. Doch indem von Ben Hergl vom Herxheimer Chawwerusch-Theater und Rosa Tritschler geschriebenen Stück ist alles ein wenig anders: hier ballert niemand mit Maschinengewehren um sich , der Protagonist wollte sich nur vor seinen Freunden aufspielen. Plötzlich ist keiner mehr da von seinen Freunden, keiner will mehr etwas mit Matt dem "Terroristen" zu tun haben und keiner will bezeugen, dass sie Bombendrohung tatsächlich nur ein harmloser Spruch im Übermut war. Matt wird überall gemieden und mutiert zum Außenseiter, genauso wie Ursula, die schon langen nicht mehr mit den Leuten aus ihrer Schule zu tun haben will. Ursula verteidigt Matt gegenüber allen anderen und bezeugt dessen Unschuld. Damit ist die ganze Sache jedoch noch nicht vom Tisch, denn die Frage, wer Matt verleumdet hat, ist weiterhin offen. Ist es tatsächlich nur ihr Sinn für Gerechtigkeit , der die unnahbare Ursula dazu bringt, Matt zu verteidigen oder sind auch noch andere Gefühle im Spiel? Und was steckt hinter dem suspekten Prediger und seinem Hass gegenüber Matt und dessen Familie? Mit "Unter Verdacht" bringt das "Theater Szenario" am 29. April Produktion Numero sieben auf die Bühne. Die Bühne wird bei dieser Aufführung nicht das einzige Medium sein, das dem Zuschauer die Geschichte von Matt und Ursula näher bringt. Der Regisseur Ben Hergl setzt auch auf Videos und eingefügte Fernseh- Spots, die an die Wand projiziert werden und die laufende Handlung unterbrechen oder ergänzen.
Seit Januar diesen Jahres probt die Gruppe an dem Stück. Und weil das im Gegensatz zu anderen Stücken in der Vergangenheit eine relativ kurze Zeitspanne ist, mussten die Schauspieler Teile ihrer Osterferien für die Proben "opfern", um noch rechtzeitig für die Premiere fertig zu werden.
"Wir alle haben das Buch von Joyce Carol Oates gelesen", erzählt die 18-jährige Fanny Müller aus Herxheim, "und haben uns dann durch Improvisationsübungen dem Stück genähert". Fanny ist seit fünf Jahren bei der Gruppe und spielt in diesem Jahr Ursulas unterwürfige Freundin Evanne. Sie spielt ein kindisches Mutterkind, das von jedem Bestätigung braucht, sie jedoch selten bekommt. "Diese Rolle ist wie die meisten anderen extrem übertrieben und karikiert, was sie relativ einfach zu spielen macht, bei der Darstellung aber auch viel Spaß bringt", sagt Fanny. Den übertriebenen Charakteren angepasst sind die schrillen Kostüme (Marlene Korbstein) und das entsprechende Make-up (Dieter Bock) im auffallenden Neo Tokyo-Stil mit seinen krassen Farben und scheinbar unvereinbaren Kombinationen.
Wenngleich genauso bunt und in die Augen fallen sind Bühnenbild (Doris Lang) und Requisiten mit Absicht schlicht gestaltet. Um den nötigen Kontrast zu den hervorstechenden Kostümen zu bilden, wird der Hintergrund der Bühne bei der Aufführung komplett in schwarz gehalten sein.
Bei den Proben geht es jedoch um viel mehr als nur eine Rolle zu spielen. Wenn man den Charakter auf der Bühne darstellt, muss der Schauspieler oder die Schauspielerin (denn die Gruppe besteht zum größten Teil aus Mädchen) für diesen Moment ganz in die vorgegebene Rolle schlüpfen und seiner Vorstellungskraft freien Lauf lassen: Man muss lernen genauso zu reden, zu gehen, sich ebenso zu setzen oder aufzurichten wie es die dargestellte Person auch tun würde. Da das Stück sehr viele jugendliche Themen und Probleme wie Liebe, Freundschaft oder Erwachsenwerden behandeln, ist den Darstellern die Materie nicht fern. Aber auch ein Schlagabtausch muss möglichst echt wirken, Ohrfeigen, Schläge in den Bauch und Fußtritte müssen dem Publikum realistisch dargestellt werden, ohne jedoch das gegenüber tatsächlich zu verletzen, was von beiden, dem Schläger und dem Geschlagenen höchste Konzentration und Präzision fordert. "Obwohl die Zeit für die Proben in diesen Jahr sehr kurz ist, klappt alles toll, was nicht zuletzt der Kooperation und Eigenverantwortung der Schauspieler zu verdanken ist. Der Probenplan wurde auf jene Weise organisiert, dass zu jeder Zeit alle 15 Darsteller gleichzeitig proben", erläutert Ben Hergl. "Da ich mich nicht drei- oder vierteilen kann, proben die Schauspieler ihre Szenen in kleinen Gruppen, wobei im Wechsel auch sie selbst mal Regie führen, Ideen weitergeben oder Änderungen vorschlagen". Das trage auch dazu bei, dass sich die Darsteller intensiver mit dem Stück und ihren eigenen Rollen auseinandersetzen.
Pfälzer Tagesblatt, 6. Mai 2004
Jugendliche spielen Erwachsene und Mädchen Knaben
Theatergruppe "Szenario" des Herxheimer Schulzentrums "Pamina" studiert Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen" ein
Frank Wedekinds radikales Stück "Frühlings Erwachen", uraufgeführt 1906, hatte einst große Schwierigkeiten mit Zensur. Heutzutage, so ist zu befürchten, machen sich Jugendliche über die darin verhandelten Pubertätsprobleme und katastrophalen wilhelminischen Verklemmungen eher lustig. Oder doch nicht? Der stets von Skandalen umwaberte Dramatiker lässt die Hauptperson seiner "Kindertragödie" allerdings auch über andere existenzielle Fragen reflektieren: über den Sinn des Daseins beispielsweise oder den geheimnisvollen Zusammenhang von Liebe und Tod. Und so ist es vielleicht die heikle Mischung aus allen Elementen, die die Theatergruppe "Szenario" des Herxheimer Schulzentrums "Pamina" letztendlich in ihren Bann zog. Die allererste durchgängige Probe vor Eltern, Geschwisters und Freunden im Theatersaal des Chawwerusch Theaters verlief jedenfalls beeindruckend intensiv und professionell. "Sonst", sagt Ben Hergl, Gründungsmitglied des mittlerweile 20 Jahre alten Ensembels, "hätte ich mich wohl kaum entschlossen, das Stück in unseren regulären Spielplan aufzunehmen." Er ist denn auch nicht mit der Versuchung erlegen, "Frühlings Erwachen" zu aktualisieren. Das heißt, die 14 Mädchen und zwei Jungen (Anm.: es sind eigentlich drei) der Theatergruppe "Szenario" tragen die von Marlene Korbstein liebevoll nachempfundenen Kleider der Jahrhundertwende, das Bühnenbild bleibt karg und wohltuend neutral. Verkleidungen an sich sind ja auch kein Problem und üblich bei Theaterstücken. Wie aber verhält es sich mit Wedekinds komplizierter Sprache, seinem Hang zu satirischem Bombast und poetischen Allüren? Hat der Regisseur sie glatt gebügelt, sie sozusagen gängig gemacht für heutige Sprecher? Keine Rede! Höchstens allzu lange Monologe hat Hergl gekürzt und mit den Darstellern regelrechte Interpretations- und Exegesestunden abgehalten. Auch eine Sprachlehrerin wurde engagiert, um der literarischen Vorlage so nah wie möglich zu kommen. Aber ist es nicht dennoch eine allzu fremde, ferne Zeit, in die die Jugendlichen sich hineinversetzen müssen? Ja und nein. Claudia Lehmann, Philipp Braun, Stephanie Fritz, Ina Müller (Anm.: gemeint ist Fanny Müller) und Maite Tritschler finden höchstens die Tatsache obskur, dass ein vierzehnjähriges Mädchen schwanger wird, ohne es zu wissen, und ein Sechzehnjähriger sich umbringt, weil er nicht versetzt wird. Und auch die autoritären Lehrer, so wie sie Wedekind abbildete, seien nur mehr schwer vorstellbar.
Dass Wedekind sein Stück allerdings so ganz und gar aus der Sicht seiner von den gesellschaftlichen Verhältnissen gequälten pubertären Protagonisten schrieb und eindeutig Partei ergreift, macht die Sache zu einer großen Herausforderung. Denn irgendwie müssen die "Szenario"-Darsteller nicht nur "sich selbst" spielen, sondern auch die Erwachsenen, jene Menschen also, die ihre Kinder oder Schüler durch ihr Unverständnis erst in die Katastrophe treiben.
Es ist nun schon das fünfte Stück, das Ben Hergl mit der Gruppe aufführt. Ohne finanzielle und praktische Unterstützung des Herxheimer Dorftheaters e. V., das heißt, der beiden Laiengruppen "WeibsBilder" und der noch namenlosen Männergruppe, sowie dem ständig möglichen Zugriff auf Chawwerusch-Know-how und Requisiten-Fundus, wäre eine derart intensive Theaterarbeit freilich nicht denkbar. Einige der Schauspielerinnen haben diesen Jahr ihr Abitur gemacht. Überhaupt waren es stets mehr die Mädchen, die sich für die "Bretter" interessierten, die die Welt bedeuten, weswegen auch in "Frühlings Erwachen" die meisten Jungen von Mädchen dargestellt werden. Bei manchen prekären Szenen - dem gemeinsamen Onanieren, den Liebesszenen - verlangt dies wohl auch heute noch einen gewissen Mut. Theater aber macht alles möglich. Da können Jugendliche verknöcherte, gehemmte Erwachsene spielen und Mädchen Knaben, die ihre ersten sexuellen Erfahrungen erleben. Die erste Umsetzung vor Publikum sprach jedenfalls für die Souveränität der jungen Truppe und die Feinfühligkeit des Regisseurs. Sie war glaubwürdig bis zur kollektiven Beklemmung, wie die Diskussion nach der Aufführung zeigte. Wobei Jung und Alt das dankbare Gefühl teilten, zumindest was die sexuelle Aufklärung betrifft, in anderen, besseren Zeiten zu leben. (Gabriele Weingartner)
Frank Wedekinds radikales Stück "Frühlings Erwachen", uraufgeführt 1906, hatte einst große Schwierigkeiten mit Zensur. Heutzutage, so ist zu befürchten, machen sich Jugendliche über die darin verhandelten Pubertätsprobleme und katastrophalen wilhelminischen Verklemmungen eher lustig. Oder doch nicht? Der stets von Skandalen umwaberte Dramatiker lässt die Hauptperson seiner "Kindertragödie" allerdings auch über andere existenzielle Fragen reflektieren: über den Sinn des Daseins beispielsweise oder den geheimnisvollen Zusammenhang von Liebe und Tod. Und so ist es vielleicht die heikle Mischung aus allen Elementen, die die Theatergruppe "Szenario" des Herxheimer Schulzentrums "Pamina" letztendlich in ihren Bann zog. Die allererste durchgängige Probe vor Eltern, Geschwisters und Freunden im Theatersaal des Chawwerusch Theaters verlief jedenfalls beeindruckend intensiv und professionell. "Sonst", sagt Ben Hergl, Gründungsmitglied des mittlerweile 20 Jahre alten Ensembels, "hätte ich mich wohl kaum entschlossen, das Stück in unseren regulären Spielplan aufzunehmen." Er ist denn auch nicht mit der Versuchung erlegen, "Frühlings Erwachen" zu aktualisieren. Das heißt, die 14 Mädchen und zwei Jungen (Anm.: es sind eigentlich drei) der Theatergruppe "Szenario" tragen die von Marlene Korbstein liebevoll nachempfundenen Kleider der Jahrhundertwende, das Bühnenbild bleibt karg und wohltuend neutral. Verkleidungen an sich sind ja auch kein Problem und üblich bei Theaterstücken. Wie aber verhält es sich mit Wedekinds komplizierter Sprache, seinem Hang zu satirischem Bombast und poetischen Allüren? Hat der Regisseur sie glatt gebügelt, sie sozusagen gängig gemacht für heutige Sprecher? Keine Rede! Höchstens allzu lange Monologe hat Hergl gekürzt und mit den Darstellern regelrechte Interpretations- und Exegesestunden abgehalten. Auch eine Sprachlehrerin wurde engagiert, um der literarischen Vorlage so nah wie möglich zu kommen. Aber ist es nicht dennoch eine allzu fremde, ferne Zeit, in die die Jugendlichen sich hineinversetzen müssen? Ja und nein. Claudia Lehmann, Philipp Braun, Stephanie Fritz, Ina Müller (Anm.: gemeint ist Fanny Müller) und Maite Tritschler finden höchstens die Tatsache obskur, dass ein vierzehnjähriges Mädchen schwanger wird, ohne es zu wissen, und ein Sechzehnjähriger sich umbringt, weil er nicht versetzt wird. Und auch die autoritären Lehrer, so wie sie Wedekind abbildete, seien nur mehr schwer vorstellbar.
Dass Wedekind sein Stück allerdings so ganz und gar aus der Sicht seiner von den gesellschaftlichen Verhältnissen gequälten pubertären Protagonisten schrieb und eindeutig Partei ergreift, macht die Sache zu einer großen Herausforderung. Denn irgendwie müssen die "Szenario"-Darsteller nicht nur "sich selbst" spielen, sondern auch die Erwachsenen, jene Menschen also, die ihre Kinder oder Schüler durch ihr Unverständnis erst in die Katastrophe treiben.
Es ist nun schon das fünfte Stück, das Ben Hergl mit der Gruppe aufführt. Ohne finanzielle und praktische Unterstützung des Herxheimer Dorftheaters e. V., das heißt, der beiden Laiengruppen "WeibsBilder" und der noch namenlosen Männergruppe, sowie dem ständig möglichen Zugriff auf Chawwerusch-Know-how und Requisiten-Fundus, wäre eine derart intensive Theaterarbeit freilich nicht denkbar. Einige der Schauspielerinnen haben diesen Jahr ihr Abitur gemacht. Überhaupt waren es stets mehr die Mädchen, die sich für die "Bretter" interessierten, die die Welt bedeuten, weswegen auch in "Frühlings Erwachen" die meisten Jungen von Mädchen dargestellt werden. Bei manchen prekären Szenen - dem gemeinsamen Onanieren, den Liebesszenen - verlangt dies wohl auch heute noch einen gewissen Mut. Theater aber macht alles möglich. Da können Jugendliche verknöcherte, gehemmte Erwachsene spielen und Mädchen Knaben, die ihre ersten sexuellen Erfahrungen erleben. Die erste Umsetzung vor Publikum sprach jedenfalls für die Souveränität der jungen Truppe und die Feinfühligkeit des Regisseurs. Sie war glaubwürdig bis zur kollektiven Beklemmung, wie die Diskussion nach der Aufführung zeigte. Wobei Jung und Alt das dankbare Gefühl teilten, zumindest was die sexuelle Aufklärung betrifft, in anderen, besseren Zeiten zu leben. (Gabriele Weingartner)
Städteanzeiger, Mittwoch, 22.April 2003