Die Schultheater der Länder in Erfurt 2016
Alle Bilder sind von den Veranstaltern
Eine Rezession von Katrin, "Lautschrift" SDL 2016,
Ist es ein Naturgesetz, dass wir das Hässliche ablehnen?
Auf der Bühne ein Sofa. Der Vorhang im Hintergrund bewegt sich leicht. Unter großem – wenn auch nicht ganz freiwilligem – Applaus des Publikums stolziert das Königspaar Ignaz und Margarete körperlich herrlich überzogen auf die Bühne. Dieser Auftritt und die ersten Worte steigert die Erwartungshaltung auf eine besondere, schrille Spielweise, auf eine Komödie, die zur Groteske werden könnte.
Doch zurück zur Geschichte. Ein Bettler kommt hinzu, bittet um eine Gabe. König und Königin übertreffen sich gegenseitig in ihrer Großzügigkeit, doch man merkt schnell, diese ist nicht wahrhaftig, sondern dient der eigenen Aufwertung. Prinz Philipp, so scheint es, ist im Gegensatz zu seinen Eltern weniger affektiert, das Spiel des Darstellers ist authentisch. Doch auch er ist nicht frei von Macken. Sein Freund Cyrill versucht vergebens, ihm die eine oder andere Dame im Publikum schmackhaft zu machen. Ist doch egal, ob blond oder brünett, sie sind alle gleich. Er ist gelangweilt. Geplagt von Überdruss mag er sich nicht mehr recht am Leben freuen. Dann plötzlich ist da eine, die ist anders. Auf der Bank sitzt Yvonne, ihre Tanten zerren an ihr herum. Sie ist nicht hässlich, nur anders. Sie trägt andere Kleidung, ist ungeschminkt, ihr Haar ist echt. Bei näherer Betrachtung ist sie sogar sehr schön, ein Mensch durch und durch. Unverstellt, nur eben unangepasst. Sie ist nicht gesellschaftsfähig, ist schüchtern, ängstlich. So, wie beide Tanten an ihr ziehen und rupfen, versteht man versteht schnell, dass sie das quält. Lasst sie doch so, wie sie ist, denkt man. Doch sie können nicht anders. Und auch Prinz Philipp fühlt sich provoziert. Er bringt es auf den Punkt. Sie so leiden zu sehen, bringt einen dazu, sie auch leiden zu lassen. Sie ist das perfekte Opfer. Ihr Blut fließt zu träge, deshalb ist sie nie fröhlich, dann muss man es mal in Wallung bringen. Zwar gibt da Personen, die Einspruch erheben, aber tun sie dies aus Mitgefühl, oder weil es sich nicht gehört? Die Frage wird einem das nicht eindeutig beantwortet. Das ist gut so.
Yvonne ist eine Person, die dazu geschaffen ist, alles aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ihr Anderssein bringt Abwechslung in das von Überdruss geprägte Leben des Prinzen, er entschließt, sie zu heiraten und schafft mit dieser Ankündigung Verwirrung. Die Eltern werden sich nicht einig, ob dies der Gutherzigkeit oder der Renitenz des Sohnes geschuldet ist.
Auch am Hof lässt sich Yvonne nicht verändern. Umso mehr provoziert dies die anderen, sie verbiegen zu wollen. In den wenigen Worten die sie im Stück sagt schildert sie ihre Situation: Es ist immer ein Kreis. Alle sind gleich. Und wenn sie einen Schritt auf die anderen zugeht, wird sie umso mehr abgelehnt. Nein, kein Kreis, so Philipp, es ist die Hölle. Die geht weiter.
Yvonne hält den anderen einen Spiegel vor, den sie kaum ertragen können. Durch sie erkennen sie ihre eigene Hässlichkeit und die der anderen. Die Momente der Ehrlichkeit wie die Angst der Königin, durch das Preisgeben ihrer inneren Seiten abgelehnt zu werden, berühren. Am meisten jedoch beim König. Durch die übertriebene, groteske Spielweise überrascht dieser Moment, in dem man hinter seine Fassade schauen kann. Mehr Mut zu dieser Überziehung, wie der schöne Einfall des Gesanges mit anschließendem „Ah“ und „Oh“, auch das Potential zu Extremen im gegenseitigen Vorwerfen von Unzulänglichkeiten, hätte die Kluft zwischen Yvonne und Hofstaat deutlicher, die Verletzungen größer machen können. Der Blick in den Spiegel uns so mehr erschüttern können.
Der Bezug zu unserer Zeit wird nie direkt angesprochen, aber das hat es für mich auch nicht gebraucht. In unseren Köpfen war er allgegenwärtig. Denn auch wir spüren den Anpassungsdruck der Gesellschaft in unserer Umgebung, nicht zuletzt durch die Werbeflut der Medien täglich.
Eine berührende Szene ist auch das Ende Yvonnes. Nein, Sterben ist nicht schön. Und erst mit ihrem Tod verstehen die anderen mit ihr umzugehen. Sorgen sich, bahren sie auf, kümmern sich.
Die in Schwarz, Grau und Weiß schlicht gehaltene Bühne- trotz aufwendiger toller Kostüme und Rokoko- Perücken- lässt den Darstellern genügend Raum für ihr gutes Zusammenspiel. Perfekt reiht sich zu dieser Ausstattung der leicht glänzende Plastikvorhang ein.
Die Dialoge zwischen den Spielern sind flott, immer flüssig im Anschluss. Nie wirkt ein Wort aufgesagt. Das liegt auch an dem hohen Spielspaß der Gruppe. Der hat sich auf den Zuschauer übertragen. Genau das richtige für den frühen Morgen.
Interview mit den Schauspielerinnen der Rollen „Ivonne“ und „Königin Magarete“ aus Rheinland-Pfalz
Wie fühlt ihr euch jetzt nach der großen Aufführung?
„Yvonne“: Ein bisschen komisch, weil es ja jetzt auch die letzte Aufführung war. Wir hatten schon einige Schulvorstellungen. Aber es ist immer wieder schön, da es auch ein sehr intensives Stück ist.
„Königin Margarete“: Außerdem war es auch etwas ganz besonderes, in diesem Saal zu spielen.
Stimmt, es ist ja noch mal etwas ganz anderes, auf so einer großen Bühne zu stehen. Das hat bestimmt Spaß gemacht, oder?
„Yvonne“: Ja, wir spielen normalerweise in einem 200 - Leute - Theater, da sind das hier ganz andere Dimensionen.
„Königin Margarete“: Genau, unsere Bühne ist sonst nicht einmal halb so groß.
Wie habt ihr das Publikum wahrgenommen? Habt ihr gemerkt, dass dort wesentlich mehr Leute sitzen oder konnten ihr das komplett ausschalten?
„Yvonne“: Ich finde, man merkt es ein bisschen daran, dass bei uns das Publikum komplett drin ist. Zwischen Schauspielern und Publikum liegt gerade mal ein Meter. Es ist sehr viel enger und dadurch geht das Publikum auch ein bisschen mehr mit, weil diese Distanz einfach nicht da ist. Aber dennoch war es enorm, wie die Stimme und alles anders gewirkt haben.
Hat denn alles gut geklappt oder gab es Szenen, in denen ihr etwas improvisieren musstet?
„Königin Margarete“: Es gab schon die ein oder andere Stelle, in denen ein bisschen Text übersprungen wurde. Aber das gibt es eigentlich immer, da hatten wir schon Aufführungen, in denen mehr improvisiert werden musste.
Hattet ihr denn eine Lieblingsszene in dem Stück, auf die ihr euch immer wieder freut?
„Yvonne“: Ja, wenn der König ruft: „Ich bin der König der Sünde!“ Das Ende finde ich auch toll, ich mag die Szene, in der ich ersticke.
„Königin Margarete“: Mein Lieblingssatz wurde heute leider weggelassen, da sage ich in der Schlussszene: „Wir werden alle sterben, hahaha!“ Das war jetzt aber nicht so schlimm, weil es kein essentieller Satz des Stückes war.
Seit wann arbeitet ihr denn schon mit dem Stück?
„Yvonne“: Seit ziemlich genau einem Jahr. Ich bin allerdings erst später zu der Gruppe dazu gekommen, denn eigentlich hatte Rita, ein Flüchtlingsmädchen aus dem Kosovo, meine Rolle der Ivonne, die wurde aber leider wieder in ihre Heimat abgeschoben, darum bin ich eingesprungen.
Dann hängt ja auch emotional einiges an dem Stück.
„Yvonne“: Ja auf jeden Fall, die letzte Vorstellung war eine Benefizveranstaltung für Rita und das war einfach die beste Aufführung.
Eine letzte Frage noch: Wie gefällt euch die SDL-Woche bisher generell so?
„Yvonne“: Es ist mega cool und macht total viel Spaß. Einfach toll mit so vielen jungen Leuten zusammen zu sein, die alle gern Theater spielen. An der Schule findet es ja auch alle gut, was wir so machen aber sie verstehen es einfach nicht auf dem Level wie die Leute hier. Außerdem macht es Spaß, zuzuschauen, was die anderen so machen.
„Königin Margarete“: Ich finde es auch immer wieder cool, wie Theaterleute einfach alle total verrückt und etwas durchgeknallt sind. Jeder macht irgendeinen Quatsch beim Essen oder so und niemand wird dafür verurteilt. Genauso bei der Eröffnungsfeier mit den Clowns, an der Schule hätten niemals alle so mitgemacht, hier haben es alle einfach nur gefeiert.